Ineinandergreifende Zahnräder

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Das Geldsystem gestalten

Günter Grzega, diplomierter Bank- und Verwaltungsbetriebswirt und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank München eG, führte bei seinem Online-Vortrag am 26. November eingangs in grundlegende Zusammenhänge des Geldsystems ein. Wie entsteht Geld? Welche Geldkreisläufe gibt es? In welchem Verhältnis stehen Schulden und Vermögen? Und welche Rolle spielen dabei der Staat und die Banken? In der Folge analysierte er die aktuelle Corona-Krise aus geldtheoretischer Sicht und in Hinblick auf Möglichkeiten, eine Wende zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft zu schaffen.

Der Vortrag enthielt eine Fülle an Informationen und Einsichten. Aus Sicht der Veranstalter*innen (Akademie für Gemeinwohl, arbeit plus Salzburg, St. Virgil Salzburg, Gemeinwohlökonomie-Regionalgruppe Salzburg) möchten wir an dieser Stelle aber speziell auf folgende Punkte des Vortrages hinweisen, die wir weitertragen wollen und die in vielen (öffentlichen) Debatten nur ungenügend berücksichtigt werden.

  1. Eine grundlegende Eigenschaft unseres Geldsystems ist, dass Geld immer in bilanzierter Form auftritt. Das heißt, dass Schulden immer an einer anderen Stelle des Geldsystems als Guthaben oder Vermögen abgebildet werden – die Summe ist immer „0“. Eine Folge dieses Umstandes ist, dass ein Schuldenschnitt nie ohne einen gleichzeitigen Vermögensschnitt stattfinden kann. Ein solcher Vermögensschnitt kann durchaus für den Erhalt von Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit und Demokratie notwendig werden.
  2. Privatpensionen leisten einen gewichtigen Beitrag zur Ungleichverteilung bzw. zur Konzentration von Vermögen. Das ist deshalb der Fall, da Pensionsfonds und -versicherungen die von ihnen verwalteten Gelder gewinnbringend und möglichst sicher (gemäß den entsprechenden Auflagen) veranlagen, was z.B. durch Investitionen in Staatsanleihen erzielt wird. Das bedeutet aber auch, dass große Mengen an Geld zunächst dem Privatsektor der Wirtschaft entzogen werden und erst nach und nach durch die Staatsausgaben in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen. Darüber hinaus werden auch Gelder im zugelassenen Umfang aus diesem Fonds- und Versicherungsbereich in Finanzwetten verwendet. Sie tragen damit zum Entstehen von Finanzblasen bei. Beim unvermeidlichen Platzen dieser Blasen (siehe die weltweite Finanzkrise 2008) wird aber auch die Realwirtschaft massiv geschädigt.
  3. Steuern erfüllen zwei grundlegende Aufgaben: Sie sind einerseits ein staatliches Instrument zur Steuerung des Verhaltens von Akteuren der Privatsektoren der Volkswirtschaft (Private Haushalte und Unternehmen) und andererseits ein Instrument des Staates, die von ihm festgelegte Währung zu legitimieren. Für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sind sie jedoch nachrangig.
  4. Sparguthaben bei den Banken und Sparkassen entstehen durch Umbuchung von Giralgeld auf den Girokonten der Kundinnen und Kunden. Durch die Anlage auf Sparkonten stabilisieren sich die Zentralbankguthaben (Reserven) der entsprechenden Banken. Diese Reserven sind sehr wichtig, da sie beispielsweise der Erfüllung der gesetzlichen Mindestreservepflicht  oder auch dem Zahlungsausgleich im Überweisungsverkehr der Banken dienen.  Die weit verbreitete Meinung, dass Sparguthaben direkt von der Bank als Kredite weitergegeben werden, ist jedoch NICHT richtig. Kredite werden immer über Zentralbanken oder andere Banken/Sparkassen neu geschöpft – das entsprechende Geld entsteht gewissermaßen „aus dem Nichts“!
  5. Die Schöpfung des Zentralbankgeldes (als Schulden des Staates bei der Zentralbank) ist grundsätzlich unbegrenzt. Die Schulden beziehen sich auf einen zeitlich und vom Umgang her unbegrenzten Kreditrahmen. Eine vollständige Rückzahlung dieser Schulden würden den Zusammenbruch des Geldsystems bedeuten und kann daher gar nicht angestrebt werden.

Diese verschiedenen Einsichten tragen alle dazu bei, die These von der „Alternativlosigkeit der Sparpolitik“, die immer noch sehr präsent ist, zu relativieren. Es gibt Alternativen zur vorherrschenden (neoliberal geprägten) Geldpolitik mit ihren massiven Auswirkungen auf viele öffentliche Güter und Dienstleistungen. Im Zuge der Antworten vieler Staaten auf die Corona-Krise ist zudem zu sehen, dass – zumindest teilweise – umfassend gesellschaftlich und nachhaltig investiert wird. Diese Investitionen können aber noch ausgeweitet und gezielt vor dem Hintergrund der umfassenden Anliegen des „Gemeinwohles“ durchgeführt werden.  Gelingt dies, ist eine gelingende Zukunft möglich. Scheitern wir und fallen wir in ein Sparprogramm zum Abbau von Staatsschulden zurück, besteht die reale Gefahr, zerstörerische politische Entwicklungen, wie sie in den 1930er Jahren in Europa stattgefunden haben, zu befeuern. 

 

Die nächsten beiden Termine der Veranstaltungsreihe:

 

Porträt Günter Grzega