Wahlcheck Sujet

Bild: Österreichisches Parlament/ GfG

Nationalratswahl 2024: Ein Blick in die Wahlprogramme. Die Positionen der Parteien zu Finanzthemen

Es braucht neue Regeln für das Geld- und Finanzsystem, damit es wieder stärker der Gesellschaft und damit dem Gemeinwohl dient. Hier sind auch die künftigen Abgeordneten im österreichischen Parlament gefragt. In der Geldpolitik besitzen sie keine direkten Entscheidungskompetenzen, denn in der Eurozone werden Entscheidungen von der Europäischen Zentralbank (EZB) getroffen.[1] Dennoch gibt es auch in Österreich einige finanzpolitische Hebel, etwa bei der Bankenregulierung und in der Steuerpolitik.

Anlässlich der bevorstehenden Nationalratswahl am 29. September haben wir uns angesehen, welche Positionen die wahlwerbenden Parteien in ihren Programmen[2] präsentieren. In einigen Fällen finden sich dabei politische Forderungen zu Bereichen, in denen das österreichische Parlament zwar keine direkte Handlungskompetenz hat, wie etwa zum Erhalt des Bargelds, sich aber mit Anfragen und Debatten in die demokratische Diskussion einbringen kann. Da es aus unserer Sicht sowohl beim Geld- als auch im Finanzsystem mehr demokratische Mitbestimmung als Gegengewicht zur starken Finanzlobby braucht, haben wir uns auch angesehen, welche Parteien Vorschläge zur Weiterentwicklung der Demokratie machen.

Zusammengefasst: Die Finanzwirtschaft bestimmt zwar die meisten Bereiche unseres Lebens, etwa Wohnen, Gesundheit, Pflege und Klimaschutz, spielt im Wahlkampf jedoch eine untergeordnete Rolle. Dennoch macht es Sinn, vor der Wahl genauer hinzusehen, welche Parteien sich überhaupt mit diesem Themenbereich befassen und ihre Stellungnahmen dazu zu vergleichen.

Im PDF am Ende des Artikels finden sich einige ausgewählte Passagen im Wortlaut.

 

Die Forderungen der Parteien im Überblick:

Tabelle Wahlcheck

Hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:

Im Hinblick auf das (nationale) Finanzsystem hat das österreichische Parlament Kompetenzen im Bereich der Finanzmarktregulierung und -aufsicht. Es kann Gesetze verabschieden, wie z.B. zur Bankenaufsicht, Kapitalanforderungen für Finanzinstitute oder Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche. Die explizite Forderung nach mehr Regulierung und Transparenz für Finanzmärkte findet sich in den Wahlprogrammen der Grünen, KPÖ und Wandel/Keine.

 

Steuerpolitik

Steuern sind ein wesentlicher Hebel für eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen und werden auch als Anreiz für umweltfreundliches Handeln genutzt. Vermögen werden in Österreich seit 1993 nicht mehr besteuert. Dabei ist Österreich ein Land mit besonders hoher Vermögenskonzentration. Die OeNB schätzt, dass fünf % der Haushalte 50 % des Vermögens besitzen, das reichste Prozent gar 40 %. Was sagen die Parteien? FPÖ und ÖVP sind grundsätzlich gegen neue Steuern und befürworten Steuersenkungen, etwa bei Einkommen. Auch die NEOS stehen der Einführung neuer Steuern generell ablehnend gegenüber, betonen jedoch die steuernde Wirkung von Steuern im Bereich Umweltschutz. Grüne, KPÖ, SPÖ und Wandel/Keine sind für Vermögenssteuern.

Vermögens- und Erbschaftssteuern

Allgemein eine Besteuerung von Millionenerbschaften fordern die Grünen in ihrem Wahlprogramm. Zudem plädieren sie für die Einführung einer Luxus-CO₂-Steuer auf Luxus-Sportwägen und Yachten, mit dem Argument, dass reiche Menschen mehr Emissionen verursachen als ärmere. Die KPÖ verlangt konkret die Einführung einer progressiven Vermögens- und einer Erbschaftssteuer ab einer Million Euro. Ebenso fordert sie eine nicht näher erläuterte Besteuerung von Luxusimmobilien. Eine Millionärssteuer auf Nettovermögen von über einer Million Euro fordert auch die SPÖ, mit Ausnahme selbst bewohnter Eigenheime bis zu einer Luxus-Grenze von 1,5 Millionen Euro. Wandel/Keine fordert die Besteuerung von Vermögen und Erbschaften bereits ab 500.000 Euro und zudem eine Reichtumsobgrenze von 250 Mio. Euro pro Person.

Kapitalertrags-, Körperschafts- und Übergewinnsteuer

Die SPÖ will die 2017 beschlossene Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 23% rückgängig machen und fordert zudem eine Besteuerung sogenannter Übergewinne u.a. von Banken. Diese Forderung erheben auch die KPÖ und Wandel/Keine. Letzte fordert generell höhere Unternehmenssteuern, Die KPÖ tritt konkret für eine Erhöhung der Körperschaftssteuer auf Konzerngewinne und die Besteuerung von Unternehmensgewinnen ein. Die Grünen fordern eine Erhöhung der Kapitalertragssteuer und eine europaweite Finanztransaktionssteuer. Die ÖVP wiederum verspricht, sich für eine Körperschaftssteuer unter EU-Durchschnitt einzusetzen. Die FPÖ will diese für „operative Kleinst-GmbHs“ auf 10% reduzieren.

Finanzierung von Klima- und Umweltschutz

Neben dem grünen Vorschlag einer Luxus-CO₂-Steuer plädiert die SPÖ für ein öffentliches Beteiligungsmodell an grünen Start-Ups nach Vorbild des deutschen DeepTech & Climate Fonds. Die KPÖ erachtet die gegenwärtigen Ansätze in der Klimapolitik als unzureichend und sozial ungerecht,  da suggeriert werde, es könne alles bleiben, wie es ist , präsentiert jedoch in ihrem Wahlprogramm keine konkreten Vorschläge. Die Grünen fordern verpflichtende Transformationspläne für Klimaneutralität in der Finanzwirtschaft, um einen Ausstieg von Pensionsversicherungen und Vorsorgeprodukten aus fossilen Investitionen zu erreichen. Im Hinblick auf die konkrete Umsetzung bleibt das Wahlprogramm jedoch vage. Die FPÖ will bestehende CO₂-Steuern abschaffen.

 

Bankenregulierung

Die FPÖ fordert, Banken mehr in die Pflicht zu nehmen durch Zinsdeckeln, die Senkung von Kreditkosten und die Weitergabe niedriger Zinssätze an die Kund:innen. Letzteres findet sich auch im Wahlprogramm der Grünen. Die SPÖ plädiert für Zinsobergrenzen bei Wohnbaukrediten, die Grünen wiederum für mehr Regulierung der Kreditvergabe für Gewerbeimmobilien. Die SPÖ unterbreitet zudem den Vorschlag eines „Österreich-Sparbuchs“ mit einer Mindestverzinsung von (aktuell) 3% bis zu einer Einlage von 20.000 Euro nach französischem Vorbild. ÖVP und FPÖ wollen die Vergabe von Wohnkrediten wieder lockern und die Aufhebung der KIM-Verordnung (Kreditbedingungen für Immobilienfinanzierung). Wandel/Keine spricht sich generell für eine Grundversorgung in öffentlichem Besitz aus, die auch Banken miteinschließt. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag der KPÖ zur Einrichtung einer staatlichen Wohnbauinvestitionsbank zur Finanzierung von öffentlichem Wohnbau.

 

Bargeld

Die Sorge um den Erhalt des Bargelds bewegt zur Zeit viele Menschen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Einführung eines Digitalen Euro. Jene Parteien, die versprechen, sich für einen Erhalt des Bargelds einzusetzen, erheben auch die Forderung nach einer flächendeckenden Versorgung mit Bargeld in ihren Wahlprogrammen: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Liste Madeleine Petrovic sowie Wandel/Keine. FPÖ und Liste Madeleine Petrovic sprechen sich auch explizit gegen Obergrenzen von Bargeldzahlungen aus. Die Grünen hingegen befürworten eine Obergrenze – mit dem Argument der Geldwäschebekämpfung.

 

Digitaler Euro

Der Digitale Euro findet nur in den Wahlprogrammen von ÖVP und Liste Madeleine Petrovic kurz Erwähnung: Die ÖVP sieht seine Einführung kritisch, die Liste Madeleine Petrovic erachtet digitales Zentralbankengeld als grundsätzlich sinnvoll, allerdings nur, wenn dieses Anonymität garantiert. Dies sieht sie in den aktuellen Plänen der Europäischen Zentralbank als nicht gegeben und steht dem Digitalen Euro daher ablehnend gegenüber.

 

Kapitalmarktunion

Zur geplanten Kapitalmarktunion, die wohlgemerkt auf EU-Ebene verhandelt wird, nehmen anlässlich der Nationalratswahl nur die FPÖ – ablehnend – und die ÖVP – zustimmend – Stellung.

 

Demokratie und Mitbestimmung

In einzelnen Wahlprogrammen finden sich auch verschiedene Vorschläge zur Weiterentwicklung von Demokratie und Mitbestimmung: Die BIER-Partei schlägt etwa nach dem Vorbild vergangener Bürger:innenräte so genannte Menschenräte vor, deren Ergebnisse verpflichtend in die parlamentarische Gesetzgebung einfließen sollen. Die KPÖ verspricht einen Ausbau der Demokratie durch den Einschluss von Menschen mit anderer Staatsbürgerschaft, die in Österreich leben. Wandel/Keine schlägt vor, neben regionalen Bürger:innenräten den Bundesrat als 2. Parlamentskammer durch einen Bürger:innenrat auf nationaler Ebene zu ersetzen. ÖVP und Liste Madeleine Petrovic hingegen stehen hinter der repräsentativen Demokratie. Erstere will dafür selbst die Plattform sein.

 

 

 

Anmerkungen:

[1] Österreich wird im EZB-Rat, dem höchsten Entscheidungsgremium der EZB, vom Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB) vertreten. Dieser wird von der Regierung ernannt. Die nationalen Parlamentsabgeordneten können jedoch durch Beratung und Kontrolle eine indirekte Rolle in EU-Gesetzgebungsverfahren spielen. Sie können etwa Anfragen stellen und Berichte zur Geldpolitik diskutieren.

[2] Dafür analysierten wir die Wahlprogramme von (in alphabetischer Reihenfolge) FPÖ, Grünen, KPÖ, NEOS, ÖVP und SPÖ. Bei der Liste Madeleine Petrovic und BIER nahmen wir Einsicht in die auf ihren Websites verfügbaren Informationen, bei Wandel/Keine von denen auch in den Forderungskatalog „Mit 100 Schritten ins 21. Jahrhundert“.

 

Ausgewählte Passagen im Wortlaut: